Ton In Ton - "Disputation" - Heinrich Heine (mit Otto Leibl M.A.)
Oberurseler Brunnenkonzerte, Juni 2004

turmotto leiblOtto Leibl M.A.

Frankfurter Neue Presse  17.06.2004
Musik in der Kirche und Worte vom Turm
Dem Brunnenfest folgen in Oberursel seit nunmehr vier Jahren die Brunnenkonzerte, stets organisiert von den Oberurseler Literarischen Konzerten, deren künstlerische Leitung der Theologe und Religionsphilosoph Otto Leibl übernommen hat.
«Musik und Wort am Taufbrunnen» heißt das übergreifende Motto des Brunnenkonzertes 2004, das am 24. und 25. Juni wieder zwei Veranstaltungen anbietet. Am Donnerstag, 24. Juni, ist von 20 Uhr an die evangelische Christuskirche an der Oberhöchstadter Straße Schauplatz des ersten Konzertes. Im Garten der Kirche, also «open air», wird die originelle Schlagzeuggruppe «Ton In Ton» spielen.
Diese Gruppe ist bekannt für ihre außergewöhnlichen Schlaginstrumente, die sie aus allen Teilen der Erde zusammengetragen hat. Buk, Udu, Berimbao, Yambu, Cajon und Ballaphon heißen die Instrumente, die sicher viele Konzertbesucher zum ersten Mal hören werden. Ob treibende Trommelpulse, mitreißende Grooves oder ruhige, meditative Stücke, «Ton In Ton» fühlt sich frei in seiner Musikalität und läßt der Improvisation viel Raum.
Diesen ersten Konzertabend hat Leibl dem Gedenken an den in diesem Jahr verstorbenen früheren Oberurseler Pfarrer Willi Hief gewidmet. Leibl wird vom Turm der Christuskirche herab zu Ehren Hiefs zwei Schlüsseltexte von Jean Paul und Heinrich Heine vortragen. Der Eintritt zum Konzert am Donnerstag ist frei, es wird aber um Spenden gebeten. (new)

FNP Taunus Zeitung 26.06.2004
Den Zweiflern nahe sein
Von Christoph Rech
«Er war ein kleiner großer Leuchtturm dieser Stadt, deswegen stehe ich auf diesem Turm», sagt Otto Leibl, künstlerischer Leiter der Oberurseler Literarischen Konzerte, in Gedenken an Willi Hief. Mit dem achten Glockenschlag hat er sich auf den Turm der Christuskirche begeben und die vierten Brunnenkonzerte eröffnet.
Der erste Abend ist Willi Hief gewidmet. Der im April verstorbene Pfarrer sei «ein Hoffnungsträger» gewesen, Hief habe die «pure Menschlichkeit» verkörpert, so Leibl. In schwindelnder Höhe greift er dann zur Literatur, denn das Wort hat beim Brunnenkonzert tragende Bedeutung. Leibl beginnt eindrucksvoll aus Jean Pauls «Siebenkäs» die «Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab» zu rezitieren. Die Traumsequenz berichtet von der «weiten Leichengruft des Alls». «Ist das neben mir noch ein Mensch?», schallt es durch den Park am Gotteshaus. «Die Kirche will auch den Zweiflern nahe sein», erklärt Leibl später im Gemeindezentrum zur Textauswahl. Hief habe in dieser Richtung Zeichen gesetzt, denn er habe den Blick ins «kalte Weltall» gekannt. Und der Gottesmann habe stets Gemeindemitgliedern den «Rettungsring» zugeworfen.
Mit einer musikalischen Klangreise knüpft die Perkussionsgruppe «Ton In Ton» an das Programm des literarischen Ausflugs. Zahlreiche Schlaginstrumente liegen auf der Bühne im Gemeindezentrum, die nach und nach zum Einsatz kommen. Sie werden von Monika Barth, Hartmut Batzdorff, Andrea Görz, Andreas Mlynek, Jürgen Weiß und Heinz Hoffmann gespielt. Aus allen Teilen der Welt stammen die Instrumente, die – wie ihre Namen – für europäische Ohren meist ungewöhnlich klingen: Udu, Berimbao, Gome, Yambu und Cajon, um nur einige der rund 100 Instrumente zu nennen. Großes Improvisationstalent legt die Formation an den Tag, denn selten ist ein Rhythmus oder Ablauf geplant. Das Ensemble spielt Variationen, umspielt Themen. Spontan entsteht eine Klangwelt mit treibenden Grooves oder meditativem Charakter, die von den leider nur wenigen Zuhörern mit reichlich Applaus angenommen wird.
Leibl hat noch einen weiteren Text parat. «Wo Willi Hief gestanden hätte ist klar», sagt der künstlerische Leiter, der die Disputation aus Heinrich Heines «Romanzero» rezitiert. «Er hätte die Königin unterstützt.» Im Text erörtern ein Rabbi und ein Mönch in einem hitzigen Wortwechsel, welches der wahre Gott sei. Zum Schluss ergreift die Königin das Wort: «Welcher Recht hat, weiß ich nicht», erklärt sie. Sie wisse aber, dass alle beide, «Rabbi und Mönch, stinken».

Frankfurter Rundschau, 26.6.2004
Kirchturm als Literaturkanzel
Otto Leibl zieht mit Disputen und Tamtam Zuhörer in den Bann
VON KATHRIN SCHWEDLER
Hoch hinaus ging es bei der Eröffnung der diesjährigen Oberurseler Brunnenkonzerte. Otto Leibl, wissenschaftlicher Leiter der "Oberurseler Interdisziplinären Dispute" (O.I.D.) und künstlerischer Leiter der "Oberurseler Literarischen Konzerte"( O.L.K.) begab sich in seiner Funktion als Rezitator auf die Balustrade vom Turm der Christuskirche, um von dort via Mikrophon zu verkünden: "Es ist kein Gott!"
Starker Tobak, und in dem Fall natürlich nicht die persönliche Meinung des Theologen Magister Leibl, sondern aus der Feder von Johann Paul Friedrich Richter, genannt Jean Paul. In seinem Roman "Siebenkäs" lässt der Dichter der schwarzen Romantik den toten Christus vom Kreuze herab eine nihilistische Rede halten, die in einem Weltuntergangsszenario endet. Während von oben Leibl mit warmer und bajuwarisch angehauchter Stimme von der "ewigen Mitternacht" kündet, stehen und sitzen auf den Bänken einer kleinen Rotunde einige Zuhörer, den Kopf ins Genick geworfen.
Ein Kirchturm als Literaturkanzel für skeptizistische Endzeitstimmung? Reichlich gewagt. Anregung dazu, so sagt Leibl zur Wahl des Ortes und des Textes, wäre Willi Hief gewesen. Der langjährige Pfarrer der Christuskirche ist diesen April gestorben. Er sei für ihn ein "Leuchtturm" gewesen. Auf den Jean-Paul-Text und seine Wirkung angesprochen antwortet Leibl: "Die Kirche will auch den Zweiflern nahe stehen."
Der zweite Teil der Brunnenkonzerte (so genannt wegen der Taufbrunnen in den Veranstaltungs-Kirchen) sollte ebenfalls draußen stattfinden. Dem zürnenden Grollen in Spontanregengüssen des Wettergottes Tribut zollend, folgte die kleine Zuschauergruppe den Musikern von "Ton In Ton" ins Gemeindehaus. Das Sextett hatte die Turmrede von Leibl mit ihren afrikanischen Instrumenten und einem improvisierten "Tamtam" eingerahmt. Das Ensemble sei eine "Alte Liebe" von Leibl, und war schon öfter von der Partie, wenn der umtriebige Religions- und Kulturphilosoph in Sachen "behutsame Steigerung einer emotionalen Zuwendung" für Bürger unterwegs war.
Leibl hat auf seiner Visitenkarte als Arbeitsfeld "Dispute" stehen. Man merkt es allenthalben. "Ton In Ton" jedenfalls ließ für europäische Ohren vielleicht ungewohnte, aber im Zusammenspiel der beklopften, behämmerten und geblasenen Instrumente rhythmisch und melodiös harmonische Klänge hören. Launig, wenn auch die Ironie im Vortrag nicht besonders betonend, rezitierte Leibl dann Heines gereimtes Gedicht, in dem es in einem ins mittelalterliche Navarra imaginierten Disput - was sonst! - von einem Christen und einem Juden darum geht, welcher Gott der wahre sei. Beim gegenseitigen rhetorischen Rumpeln und Schimpfen der Kirchenfunktionäre geht es in jeder Hinsicht ans Eingemachte. Um 10 Uhr mischt sich in die Schlussmusik vom Kirchenturm das abendliche Läuten und bimmelt zu Gongs und Conga etwas mit.

Musik und Worte am Taufbrunnen
Otto Leibl organisiert die 4. Oberurseler Brunnenkonzerte in zwei Kirchen
"Musik und Wort am Taufbrunnen" ist das übergreifende Motto der diesjährigen "Brunnenkonzerte". Die Eröffnung ist dem kürzlich gestorbenen Pfarrer Willi Hief gewidmet, das Hauptkonzert gestaltet das Hába-Quartett in der Liebfrauenkirche.
Oberursel · 21. Juni · jüs · Mit einer Freiluft-Veranstaltung vor der Christuskirche in der Oberhöchstadter Straße beginnt am Donnerstag, 24. Juni, die vierte Auflage der Brunnenkonzerte. Die Schlagzeuggruppe "Ton In Ton" bearbeitet dabei so exotische Instrumente wie Buk und Udu, Berimbao und Yambu, Cajon und Ballaphon. Otto Leibl, künstlerischer Leiter der Oberurseler Literarischen Konzerte (O.L.K.), will vom Turm der Kirche "zwei Schlüsseltexte" von Jean Paul und Heinrich Heine rezitieren. "Zum Gedenken an den großen Oberurseler Seelsorger Willi Hief", so Leibl. Willi Hief, Pfarrer der Christuskirche von 1976 bis 2000, war im April im Alter von 63 Jahren gestorben.
Die Stadt der Brunnen, die Stadt des Wassers hat den Theologen Otto Leibl zur Idee der Brunnenkonzerte inspiriert. Der Initiator und künstlerische Leiter der Konzertreihe erwartete eine "weitere Ausbildung von Bürgeridentität und erlebbarer Freude am Gemeinwesen", als er vor drei Jahren vor allem die Stadtplätze mit seinen Brunnenkonzerten beleben wollte. Ihnen, so Kulturphilosoph Leibl, "könnte eine behutsame Steigerung einer emotionalen Zuwendung durch die Bürger durchaus gut tun." Bei der Premiere trat die Blues- und Rocksängerin Joy Fleming auf dem Epinayplatz hinter einem 2,80 Meter hohen und mit Folien verhängten Bauzaun auf.
Das Konzert mit "Ton In Ton" beginnt am Donnerstag, 24. Juni, um 20 Uhr an der Christuskirche

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