Ton In Ton, Text an Text :
John Cage: "Klänge"
Klänge sind nur Schaumblasen auf der Oberfläche der Stille.
Sie platzen und sind nicht mehr.
Stephan Froleyks: "Definition von Zeug" (I.)
Anstelle
des "Auf-etwas-Spielen" steht das "Mit-etwas-Spielen",
das heißt eine wesensgemäße Benutzung. Je besser spezifische Eigenarten erkannt
und anerkannt sind, desto rückhaltloser kann die Benutzung sein. Und erst
die spezifische Benutzung macht aus einem Schlag- (oder was auch immer)-Zeug
das, was es ist - um so mehr, je ernsthafter und leichter diese Benutzung
erfolgt. Über diese Benutzung allein gewinnt es seine eigentümliche Identität
und Ernsthaftigkeit. Das meint "Verschwinden in der Dienlichkeit"
Von einer Stradivari oder einem Steinway darf man derlei kaum noch erwarten.
Schlagzeug ist zunächst einmal das Zeug eines Schlagzeugers, der einen Zugang
zum Gegenstand frei von Vereinnahmungen gefunden hat. Wer als Schlagzeuger
auf Zeug nur schlagen will, beengt sich und die Möglichkeiten des Gegenstandes,
praktisch wie ästhetisch. Es gilt, die Seele eines Gegenstandes hörbar zu
machen, sie aus dem Verborgenen hervorzulocken.
Martin Heidegger: "Der Ursprung des Kunstwerks" - Definition von Zeug (II.)
"Es gehört zu jedem verfügbaren und
im Gebrauch befindlichen Zeug, <daß> es angefertigt ist.
Aber dieses <Daß> tritt am Zeug nicht heraus, es verschwindet in seiner Dienlichkeit.
Je handlicher ein Zeug zur Hand ist, um so ausschließlicher hält sich das Zeug in seinem Zeugsein."
Heinrich Heine: "Doktrin"
Schlage die Trommel und fürchte dich
nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.
Trommle die Leute aus dem Schlaf,
Trommle Reveille mit Jugendkraft,
Marschiere trommelnd immer voran,
Das ist die ganze Wissenschaft.
Das ist die Hegelsche Philosophie,
Das ist der Bücher tiefster Sinn!
Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit,
Und weil ich ein guter Tambour bin.
Doris Kösterke: "Improvisierte Musik" (I.)
Es zählt die unmittelbare
Präsenz im jeweiligen Moment des musikalischen und gruppendynamischen Prozesses.
Es gibt keine allgemeinverbindlichen Richtlinien für ein "richtig"
oder "falsch". Im Prinzip ist "alles erlaubt", sofern
es den musikalischen Prozeß bereichert und zugleich den Mitspielern ihren
Raum läßt. Dies ist keineswegs ein einem unverbindlichen "Anything goes"
gleichzusetzen, sondern wirft jeden einzelnen in gesteigertem Maße auf seine
eigene Verantwortung und Kritikfähigkeit zurück.
Während eine vom Komponisten
konzipierte und ausgeschriebene Partitur einem vorgeordneten Gemeinwesen entspricht,
das den einzelnen wie eine genau dosierte Farbe einsetzt, wird in der Improvisation
die Gesamtsituation von allen Beteiligten als etwas Gestaltbares erfahren.
Jeder bestimmt selbst, in welcher Weise er das Gesamtbild prägen möchte. Ein
Gradmesser für die Gelungenheit einer Improvisation ist, wie authentisch ein
Musiker sich selbst und die anderen darin empfunden hat.
So gesehen ist improvisierte
Musik immer zugleich auch ein soziales Kunstwerk mit Modellfunktion für den
Rest des Lebens. Im Idealfall ergänzen sich musikalische und soziale Situation
zu einer untrennbaren, in ihrem Resultat ausgesprochen beglückenden Einheit.
Tony Oxley: "Improvisierte Musik" (II.)
Improvisierte Musik kommt aus der Stille.
Wayne Shorter: "Improvisierte Musik" (III.)
"Es geht so:
Ein Ton kommt mir in den Sinn, und ich sage ja zu ihm.
Dann kommt noch einer, zu dem ich nein sage.
Dann noch einer, der ein Nein bekommt.
Und so besteht die Improvisation aus: ja, nein, nein, ja, ja, nein, ja, nein, ja, ja..."
"Improvisation ist die schnellste Art
des Komponierens. Und die beste Art, sich zu offenbaren."
Wim Mertens - "Macht alles ungleich"(Interview Frankkfurter Allgemeine Zeitung, 20.7.2002)
Der Pianist und Sänger Wim
Mertens mißtraut geregelten Rhythmen
Wenn man Sie im Konzert erlebt, wie jetzt auf Ihrem Live-Album "Moins de mètre,
assez de rhythme", hat man den Eindruck, als spielte die Improvisation
ücken eine große Rolle.
Normalerweise versucht man ja in einem
klassischen Konzert, exakt das zu reproduzieren, was vorher notiert wurde.
Meine Konzerte versuchen das Gegenteil: Ich möchte wegkommen von dem, was
aufgeschrieben ist. Mir geht es in der Musik weniger um Improvisation als
um Inspiration. Und die beruht auf unberechenbaren Impulsen, unberechenbar
deshalb, weil sie auf - wie ich es nenne - irrationale Rhythmen zurückgehen.
Warum sind diese irrationalen Rhythmen
so wichtig für Sie?
Ich bin der festen Überzeugung, daß der Glaube an konstante Tempi in der
westlichen Musik zugleich ihr Sündenfall war. Für mich ist der fest fixierte
Rhythmus das zentrale Problem in der Geschichte abendländischer Musik, vor
allem, seit Musiker die Notenschrift benutzt haben. Es war wahrscheinlich
einer der größten Fehler, nach einem einheitlichen Zeitmaß in der Musik zu
suchen, nur um Kompositionen exakt reproduzieren zu können. Im gregorianischen
Choral bestimmte noch die natürliche Atmung - man vergötterte sie als Pneuma
- das Tempo. Natürlich gab es auch dafür strenge Regeln, deren Einhaltung
von Rom aus kontrolliert wurde...
Sie singen in einer Phantasiesprache
und reihen willkürlich wirkende Silben aneinander. Folgen Sie einer inneren
Stimme?
Ja, ich habe das Stimmorgan das "Korn
der Stimme" genannt im Sinne von Sandkorn und Saatkorn: das Korn als
Sitz der Membran. Es geht um die natürliche Rauheit der Stimme. Mit dem Gedanken
des Stimm-Korns eröffnete sich für mich ein Horizont unendlicher Informationen;
man denke nur an die Sandkörner am Strand oder an die Saatkörner auf den Feldern!
Dieses Membran-Konzept konnte bis heute nicht durch regelhafte Notation nivelliert
werden. Es wirkt unmittelbar auf mein Pianospiel. Alle Pianisten lernen zunächst
eine Gleichmäßigkeit des Spiels, das gilt im übrigen für alle Instrumente!
Der Körper des Musikers ist dabei kaum noch in die Musik einbezogen. Er hat
sich in instrumentale Technik verflüchtigt
.....Auch in der Musik setzen
sich Machtstrategien durch. Sie äußern sich in gleichförmigen Strukturen,
in Kontrollmechanismen, sie üben Herrschaft aus, indem sie andere musikalische
Möglichkeiten aufgrund ihrer strukturellen Gewalt nicht zulassen. Musik
gehorcht eigentlich der phantastischen Logik des Wunders! Aber gerade dieses
Wunderbare wird durch solche Machtstrategien zerstört.
"Leben im OffBeat"
Die Zeit ist das Wichtigste und ZeitGleich
das Unwichtigste für den Trommler.
Er vermag ZeitBewußt mit ihr umzugehen und sie GleichZeitig zu ignorieren.
Zeit kommt oder vergeht nicht, Zeit ist immer.
Wesentlich ist die ZwischenZeit, also der Raum zwischen den Tönen, den Schlägen.
Das Erkennen, daß die WarteZeit die eigentliche Zeit ist.
Es geht nicht um den Schlag zur vollen Stunde, es zählt das Leben im Off-Beat.
Der Trommler kann diesen ZeitLosen Raum nutzen, kann ihn unendlich unterteilen.
Er kann eilen, kann sich Zeit lassen.
Er kann BeiZeiten mit der Zeit spielen, sich eine AusZeit nehmen.
Er formt die UnZeit.
Der Trommler ist Herr und Diener der Zeit, er
ist mit ihr ZeitLebens.
William Shakespeare: The Merchant of Venice, Act V, Scene I - "Mark the Music!"
"The man that hath no music in himself,
Nor is not moved with concord of sweet sounds,
Is fit for treasons, stratagems and spoils;
The motions of his spirit are dull as night
And his affections dark as Erebus:
Let no such man be trusted.
Mark the music."
Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,
den nicht die Eintracht süsser Töne rührt,
taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken;
die Regnung seines Sinns ist dumpf wie Nacht,
sein Trachten düster wie der Erebus.
Trau keinem solchen! -
Horch auf die Musik!
(Lorenzo)
Edgar Varèse: "Klang"
"Klang ist nichts als eine atmosphärische Störung."
Michel de Montaigne: "Tanz und Schlaf"
Wenn ich tanze, dann tanze ich; wenn ich schlafe, dann schlafe ich.
WeiKu: "Im Lärm Stille"
Manche trommeln laut wider die Furcht - andre suchen im Lärm Stille.
"Ton In Ton" auf dem Open Ohr Festival, Mainz 2000 - Motto: "AusZeit"
Zeitloch.
Zeitmessung ist fester Bestandteil
des modernen Alltags. Der Blick zur Uhr geschieht habituell und vollkommen
selbstverständlich. Zeitwahrnehmung normiert sich dabei zusehends, die eigentlich
künstliche Einteilung von Zeitabschnitten wird zum kulturell verbindlichen
Taktmaß der Gegenwart und damit zum bestimmenden linearen Ordnungsprinzip.
Die damit einhergehende Beschleunigung der Lebenszusammenhänge wirkt sich
auf alle gesellschaftlichen Teilaspekte aus: Egal, was der Mensch tut, effizient
muß es sein. Ungeduld wird zur zweiten Natur des Menschen.
Zeitfalle.
Höher, schneller, weiter, so lautet die Maxime auf dem Weg
in die Nonstop-Gesellschaft. Rund um die Uhr wird produziert, konsumiert und
kommuniziert. Der industrielle Zeittakt der Moderne ist auf ein einziges Ziel
gerichtet: Effizienz. Doch in welche Art von Zukunftswelt führt diese Zeitlogik,
wenn man sie zuende denkt?
Zeitnot.
Kritiker einer Beschleunigungsgesellschaft, in der die Zeit
und vor allem die Eigenzeit des Einzelnen aus den Fugen gerät, und Visionäre
einer entschleunigten Gesellschaft fordern eine Politik, die zu einer Annäherung
von Zeiten der Ökonomie an die der Natur führt. Auf der individuellen Ebene
wird der prognostizierte Zeitnotstand als Bedrohung von Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung
verstanden. Reichtum definiert sich in heutigen Konsumgesellschaften eben
nicht mehr nur aus der Verfügbarkeit über Geld- und Sachwerte, sondern zu
einem wesentlichen Teil auch aus der Verfügbarkeit über Zeitressourcen zur
selbstbestimmten Nutzung. Vom Zeitnotstand zum Zeitwohlstand.
Zeitlupe.
Das Wissen, daß alles Leben aus systemischen Eigenzeiten
und Rhythmen zusammengesetzt ist, fällt der Schnellebigkeit zum Opfer. Aber
die Möglichkeit, sich einer allgemeinen Beschleunigung der Lebenszusammenhänge
zu entziehen, eröffnet neue Zeiträume. Dem inneren Rhythmus zu folgen bedeutet
Eigenzeit zu entwickeln. Speedy Gonzales in Slowmotion!
Zeitspiegel.
In ein so abstraktes Ding wie die Zeit hinein zu tauchen
bedeutet, die "alles bewegenden" philosophischen Fragen zu stellen.
Was treibt die Zeit? Was ist Zeit als solches, was soll der Mensch mit ihr
anfangen und was vollbringt die Zeit ihrerseits mit dem Menschen?
Auszeit.
Es ist Zeit, eine Debatte über die Zukunft zu führen, vor
dem Hintergrund alternativer Zeitvorstellungen und futuristischer Utopien.
Auszeit auf dem Open Ohr Festival: vier Tage aus dem Kalender aussteigen,
das Zeitraster eines kompakten Stundenplans verlassen, um neue Zeitkonstruktionen
zu erproben und andere Blickwinkel zu öffnen. Katapultieren wir uns Pfingsten
2000 auf eine Odyssee der Zeitsuche. Dringen wir auf dem Zeitstrahl in unbekannte
Dimensionen vor, auf dem Weg in das Restaurant am Ende des Universums, um
dort eine gute Tasse Zeit zu trinken!
Musik in der Zeit – Zeit in der Musik
Musik ist "Physik mal Kultur im Quadrat". Kulturelle
Phänomene und Vorstellungen prägen musikalischen Strömungen ebenso wie unterschiedliche
physikalische Geschwindigkeiten. Demnach gilt: Musik in der Zeit in einem
Atemzug mit Zeit in der Musik.
Musik in der Zeit.
Musik ist ein Produkt seiner Zeit. Musik spiegelt den Zeitgeist und dient
gleichzeitig der Abgrenzung gegenüber demselben. Jede Generation hat ihre
eigenen Hits, die später – nach dem Wachsen der ersten grauen Haare – als
Synonym für ewige Jugend herhalten müssen. Ob Ted Herold, Rolling Stones oder
Fanta 4 – jeder von ihnen vertretene Stil war eine Reaktion auf gesellschaftliche
Veränderungen. Musik will gleichzeitig häufig Gesellschaft verändern und damit
den Zeitgeist revolutionieren. Und schließlich wird Musik durch neu entwickelte
technische Möglichkeiten (Sampling, etc) verändert.
Zeit in der Musik
Die Geschwindigkeit spielt nicht nur physikalisch gesehen eine zentrale Rolle
in der Musik. Zwei Schläge in der Sekunde – also 120 Schläge in der Minute
– werden im Mainstream-Pop als Tempo bevorzugt. Dies wird allgemein als allegro
(lustig/heiter) beschrieben wird. Erhöht sich das Tempo beginnt die Wahrnehmung
von einzelnen Impulsen in die Wahrnehmung von Tonhöhen umzukippen. Zuerst
sehr tief, dann immer höher, bis bei rund 20KHz über das Ohr nichts mehr wahrgenommen
wird. Doch Tempo ist nicht alles. Die von jedem anders empfundene Phrasierung
und Dynamik prägt Musik ebenso stark.
Zeit
läßt sich auch in Musik einfangen.
Der Protagonist in Nick Hornbys Kulturoman
"High Fidelity" ordnet seine umfangreiche Plattensammlung nach dem Anschaffungsdatum
– nur er allein findet sich zurecht in dieser persönlichen Musikchronologie.
Und keiner hat besser als er die Bedeutung des compilation tape, der Mixcassette,
beschrieben: Auf Chromdioxidbändern lagert Herzblut und die eigene (Zeit-)Geschichte
in Schuhkartons, kann je nach Sentimentalitätsgrad und Verfassung herbeizitiert
werden – zu jedem Lebensabschnitt gibt es einen persönlichen Soundtrack.
Und dann gibt es natürlich die zeitlosen Songs, die Perlen, die auch beim siebenhundertachtundreißigsten Mal immer noch genauso schön sind wie beim ersten Hören und heilige Schauer über den Rücken
treiben. Die Popsongs, die jeder selbst geschrieben haben möchte.
Außerdem gilt:
Musik kann aufputschen und beruhigen. Musik verändert
das Zeitempfinden. Musik gibt es zu bestimmten Zeiten: zur Hochzeit, zur
Weihnachtszeit und zu Pfingsten auf dem OPEN OHR.
Australier spielt 38 Stunden lang Schlagzeug
Perth AFP/Basler Zeitung. 29.4.2002
Ein Australier hat am Wochenende 38 Stunden und zwei Minuten lang Schlagzeug
gespielt und damit einen neuen Weltrekord aufgestellt. Der 31-jährige David
Buckley trommelte in einem Musikgeschäft im ostaustralischen Perth mehr
als eineinhalb Tage fast ohne Unterbrechung - alle acht Stunden durfte er
eine Viertelstunde Pause machen.Damit er durchhielt, bekam er Wasser und
Bananenstücke. Wenn jemand meinen Rekord brechen sollte, fange ich wieder
an, sagte der Schlagzeuglehrer am Montag. Den bisherigen Weltrekord hatte
vor zwei Jahren der Kanadier Steve Darvelle mit 36 Stunden Dauertrommeln
aufgestellt.
Oh, Australia, Land der Längen und Weiden, Du hast es gut. Wir hier aber haben unsere Ordnungsämter: selbst vorabendliches Trommeln unter Autobahnbrücken (!) wird von wachsamen Mitbürgern negativ
kommentiert und von uniformierter Exekutive unterbunden.
Gerald Hüther: "Wege zum Glück" (Interview Frankfurter
Rundschau)
Es ist nicht allein die Chemie
im Gehirn, die unsere Freude bestimmt, sagt der Göttinger Hirnforscher Gerald
Hüther. Im Gespräch mit FR-Mitarbeiter Lucian Haas gibt er seine Anleitung
zum Glücklichsein: Bewältige ein Problem.
Herr Professor Hüther, was ist für Sie Freude?
Gerald
Hüther: Freude ist ein Gefühl, das sich einstellt,
wenn es uns gelingt, die vielen im Gehirn parallel laufenden und sich häufig
gegenseitig störenden Verarbeitungsprozesse zu harmonisieren.
Wie kann ich das
erreichen?
Indem sie es schaffen, ihre
eigene Unsicherheit oder Angst zu überwinden. Wenn sie ein Problem selbst
bewältigen, empfinden Sie Freude.
Für mein Glück
brauche ich also ein Problem?
Je nachdem, wie sie das Wort
Problem verstehen, schon. Ich könnte es auch eine Störung des Gleichgewichtszustandes
nennen, in den man durch die erfolgreiche Bewältigung eines Problems wieder
zurückkehren kann. Nehmen sie beispielsweise ein kleines Kind, das sich in
der Nähe der Mutter geborgen fühlt. Sieht es die Mutter plötzlich nicht mehr,
wird es unsicher und beginnt zu weinen. Taucht die Mama daraufhin wieder auf,
strahlt das Kind. Es hat sein Problem, die Angst, selbst aktiv bewältigt.
Was passiert dabei
im Gehirn?
Im Hirn werden Stoffe freigesetzt,
die bestimmte Verschaltungen aktivieren. Emotionen wie Angst, Freude oder
Wut gehen immer mit der vermehrten Ausschüttung verschiedener Botenstoffe
einher. Viele dieser Transmitter
- beispielsweise das bisweilen als Glücksstoff bezeichnete Serotonin - wirken
als eine Art Vermittler und sorgen dafür, dass zwischen den verschiedenen
regionalen Netzwerken im Hirn Harmonie geschaffen wird. Sie sind aber nicht
dafür verantwortlich. Es ist nicht die Chemie, die uns die Freude macht, auch
wenn dies leider häufig so dargestellt wird.
Was ist es dann?
Die
Form, wie wir leben. Es kommt darauf an, daß wir selber uns das Leben so gestalten,
daß wir Freude empfinden können, daß wir komplexe Verschaltungen im Gehirn
aufbauen und nutzen können. Ganz wichtig ist dafür die Kindheit. Schon in
den ersten zwei Lebensjahren werden viele Grundüberzeugungen gelegt, die uns
ein Leben lang begleiten. Dabei müssen wir davon ausgehen, daß wir ganz viel
von den frühen
Bezugspersonen übernehmen. ...
Das hieße, wenn ich freudlose Eltern hatte, habe auch ich
keine Chance zur Freude?
Eine
Chance besteht immer. Das menschliche Gehirn ist zeitlebens veränderbar. Aber
es muß einen Grund dafür haben. Damit sich auch später im Leben noch etwas
ändern kann, muß etwas tief unter die Haut gehen, muß man ab und zu aus dem
seelischen Gleichgewicht geraten, vielleicht auch scheitern.
Damit
waren wir wieder beim Bewältigen eines Problems, um glücklich zu werden.
Gibt
es auch andere Möglichkeiten, Harmonie im Hirn
zu gewinnen?
Ja.
Zum einen wäre da die Entspannung zu nennen. Entspannung sorgt für Harmonie
- allerdings fällt es vielen Menschen sehr schwer, sich wirklich zu entspannen.
Des weiteren sind es Rhythmen. Trommeln oder das Tanzen sorgen für wunderbare Harmonie im
Gehirn.
Selbst das Rosenkranzbeten, das Aufsagen von Mantras oder
rhythmischen Gedichten bringt Freude. Zuletzt sind da noch Drogen wie Ecstasy
und Kokain, die direkt in die Transmitter-Systeme des Körpers eingreifen und
das Hirn zumindest kurzzeitig harmonisieren.
Wie
lange hält Freude normalerweise an?
Es gibt die plötzliche Harmonie
oder einfach gesagt: die Lust. Sie ist beispielsweise die Grundlage aller
Extremsportarten. Bei einem Bungeesprung entladen sich Angst und Spannung
in einem Harmoniekick wegen der gelungenen Überwindung der eigenen Angst.
Es ist ein Rausch, der aber nur kurz andauert. Alle konsumierbaren Dinge bereiten
nur kurzfristig Freude.
Wie kann ich langfristig
glücklich werden?
Länger anhaltendes Glück setzt
voraus, daß man sich Ziele setzt, die nicht so schnell zu erreichen sind.
Da kann man von einer Herausforderung zur anderen, von einer Unsicherheit
zur nächsten gelangen und dabei beobachten, wie man bei der Bewältigung von
Problemen immer besser, immer sicherer, vielleicht auch immer vollkommener
wird. Der Weg ist dann das Ziel.